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Best-Practice-Beispiele

Jugendlicher mit Sehbehinderung startet Bäckerlehre - Mit „KAoA-STAR“ zum Wunschjob

Hamm (lwl). Jugendliche mit Beeinträchtigungen haben es häufig schwer, einen geeigneten Ausbildungsplatz zu finden. Dass sie sich für ein Unternehmen als Glücksfall erweisen können, zeigt das Beispiel von Jan-Phillip Guderian, der im August in Hamm eine Ausbildung zum Bäcker begann. Dank des NRW-weiten Programms „Kein Abschluss ohne Anschluss – Übergang Schule-Beruf“ (KAoA-STAR), das der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) koordiniert, und dank des besonderen Engagements und Talents kamen Azubi und Arbeitgeber zusammen.

Guderian ist ein interessierter und kreativer junger Mann, der kürzlich auf dem LWL-Berufskolleg Soest, eine Förderberufsschule für blinde und sehbehinderte junge Menschen, seine Fachoberschulreife im Bereich Ernährungs- und Versorgungsmanagement erlangt hat. Nach einem Praktikum in einer Bäckerei in Hamm-Pelkum stand für den jungen Mann fest: Er möchte Bäcker werden.

Der Integrationsfachdienst (IFD) des Kreises Soest, der im Auftrag des LWL das Programm „KAoA-STAR“ umsetzt, hat den stark sehbeeinträchtigten 20-Jährigen während der Berufsorientierung begleitet. IFD-Mitarbeiter Julius Chudalla hat alle Angebote und Instrumente der Beruflichen Orientierung koordiniert. Dazu gehörte es, das funktionale Sehvermögen von Guderian festzustellen, die sogenannte Potenzialanalyse durchzuführen und Praktika auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt zu begleiten. Zudem war er das Bindeglied aller beteiligten Institutionen und Personen: der Eltern, der Agentur für Arbeit, des Unternehmens, der Hilfsmittelfirmen und der Berufsschule.

Bei Ludger Kapschak stieß Guderian auf offene Ohren. Der Inhaber eines Bäckereibetriebes erkannte schon bald das besondere Talent des jungen Mannes: „Jan-Phillip hat super gearbeitet und Einsatz gezeigt. Anscheinend hat er einen guten Fühl- und Tastsinn, denn er hat es viel schneller als andere gelernt, den Teig rundzuwirken, ihn also in eine kugelige Form zu bringen. Das ist eine besondere Fähigkeit, die beileibe nicht jeder mitbringt.“ Kapschak war spontan bereit, dem talentierten Praktikanten einen Ausbildungsplatz zu geben.


Doch zuvor waren einige Hürden zu bewältigen. So sieht der Ausbildungsrahmenplan zum Beispiel vor, dass werdende Bäcker an Teigausrollmaschinen geschult werden. Die Maschine im Betrieb war jedoch mit Guderians Sehbehinderung nicht zu bedienen. Daher hat Chudalla Kontakt zur Agentur für Arbeit Hamm aufgenommen. In intensiven Gesprächen informierten und berieten die Reha-Beraterin Sandra Koch sowie der Technische Berater Matthias Schmidinger Arbeitgeber und Stellenanwärter über mögliche finanzielle Fördermöglichkeiten. Gemeinsam mit dem IFD sowie entsprechenden Hilfsmittelfirmen und nach Rücksprache mit dem Berufskolleg hat der Ausbildungsbetrieb schließlich eine computergesteuerte Teigausrollmaschine angeschafft. Hinzu kamen eine elektronische Handlupe und eine spezielle Tafelbildkamera für die berufspraktische Unterweisung. Die Kosten von 30.000 Euro dafür übernahm die Agentur für Arbeit.


Guderian ist froh, dass er so am Arbeitsleben teilhaben kann: „Ich habe mich sehr gefreut, die Lehrstelle zu bekommen. Ich mag es, Dinge zu produzieren, und mir gefallen sogar die ungewöhnlichen Arbeitszeiten, die dieser Job mit sich bringt.“

Hintergrund
„Kein Abschluss ohne Anschluss – Übergang Schule-Beruf“ (KAoA) ist ein NRW-weites System des Übergangs von der Schule in den Beruf und richtet sich an Schüler:innen ab der Jahrgangsstufe 8. „STAR“ ist das entsprechende behindertenspezifische Angebot für Schüler:innen mit Behinderung oder Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung. Ziel ist eine verbesserte Chancengleichheit im Übergang zum Berufsleben und mehr Teilhabe von Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Koordination von „KAoA-STAR“ in Westfalen-Lippe liegt in den Händen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), der die Integrationsfachdienste (IFD) mit der Umsetzung vor Ort beauftragt.


 

Mehr als die reine Justiz - Gelebte berufliche Teilhabe auf allen Ebenen

Gelsenkirchen (lwl). Justin Neumann und Marvin Kubitza, zwei junge Mitarbeiter stehen bei ihren Arbeitgebern mit vollem Engagement ihren Mann. Justin Neumann ist angestellt im Sozialgericht und Marvin Kubitza im Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen. Die beiden jungen Männer haben beide eine festgestellte Schwerbehinderung. Beide haben vor dem Eintritt in das Berufsleben eine Förderschule besucht. Diese Tatsache spielt bei der Bewältigung des täglichen Arbeitspensums aber keine Rolle. Die beiden 22-jährigen unterstützen ihr Team bei der Ein- und Ausgabebearbeitung der Post, bei anstehenden Botendiensten oder bei Bürotätigkeiten. „Arbeit gibt es in jedem Fall genug. Die beiden erledigen diese Arbeit kompetent und zuverlässig“, sind sich Silvia Fleck (Präsidentin des Sozialgerichtes) und Bernhard Fessler (Präsident des Verwaltungsgereichtes) einig. Ein Erfolgsfaktor ist, dass in beiden Fällen die Gerichte die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung fördern. Die beiden Präsidenten des Gerichtes betonen, dass sie damit sehr gute Erfahrungen gemacht haben. „Diese Vorbildfunktion wird hausintern vorgelebt und spiegelt sich auf der operativen Ebene mit viel Engagement in einem guten Betriebsklima wider. Die jungen Männer erfahren täglich wie Zusammenarbeit und Zusammenhalt innerhalb eines Teams funktionieren und das jede Aufgabe wichtig ist.

Beim Übergang von der Schule in den Beruf haben Stephanie Wolf und Alexandra Becks-Landwehr vom Integrationsfachdienst (IFD) Gelsenkirchen die beiden jungen Männer beim Übergang in das Berufsleben begleitet. Darüber hinaus hat die NRW-Landesregierung zusätzliche Arbeitsstellen eingerichtet, die speziell mit jungen Menschen mit Behinderungen besetzt werden sollen. Dadurch können Marvin Kubitza und Justin Neumann berufliche Teilhabe am Arbeitsleben jeden Tag erleben.


 

Ein Schmuckstück der beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderung - Lisa Byvank ist in der Manufaktur Niessing voll und ganz integriert

Vreden (lwl). Die junge Frau, eine ehemalige Schülerin der Johannesschule in Gronau mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung, schaffte den Übergang von der Förderschule auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bei der Niessing Manufaktur GmbH in Vreden. Die Manufaktur hat mit viel Engagement dafür Sorge getragen, dass der Übergang gelingt und Lisa Byvank im Arbeitsleben uneingeschränkt angekommen ist. Es wurde von Seiten der Manufaktur Niessing ein Mitarbeiter für die Einarbeitung benannt, der ihr für Fragen stets zur Seite stand. Dieses besondere Engagement ist nicht selbstverständlich und hat maßgeblich zum Erfolg des Praktikums und somit zum Übergang in das Arbeitsleben beigetragen. Die Anleitung und Begleitung durch einen verlässlichen Ansprechpartner haben Frau Byvank das Erlernen des Aufgabenbereichs sehr erleichtert. In – aus dem Budget für Arbeit des LWL-Inklusionsamtes Arbeit – geförderten Nachhilfestunden wurde Mathematik gepaukt, denn ohne bessere Rechenkenntnisse wäre es nicht weitergegangen.

Das Arbeitsverhältnis wird von der Agentur für Arbeit in Form eines Eingliederungszuschusses und durch das Budget für Arbeit mit einer Einstellungsprämie sowie mit laufenden Leistungen gefördert. Ferner wurde ein besonderer Arbeitstisch bezuschusst.  Der gesamte Prozess wurde im Rahmen von KAoA-STAR durch den IFD Borken / Coesfeld eng begleitet.

Kristina Steffen (Redaktion)


 

Von der Förderschule in den Beruf - Durch ein gut funktionierendes Netzwerk werden Träume wahr

Gütersloh (ifd). Wenn der Weg für junge Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf nicht automatisch in die Werkstatt für Menschen mit Behinderungen führt und sich auch noch andere Perspektiven, wie eine betriebliche Ausbildung, Beschäftigung oder weitere Möglichkeiten schulischer und beruflicher Vorbereitungen ergeben können, werden die Mitarbeiter des Integrationsfachdienstes im Bereich Übergang Schule – Beruf aktiv.

So auch bei Janik Linnemannstöns, dessen Leidenschaft Autos sind und dessen Traum es seit jeher war, in diesem Bereich arbeiten zu können. Ein Traum, den sich Janik nun erfüllen konnte. Bis zum Sommer vergangenen Jahres besuchte Janik mit einer Autismus-Spektrums-Störung und einer Entwicklungsverzögerung eine Gütersloher Förderschule. Sein Weg schien vorgezeichnet. Sollte sich doch zunächst für weitere drei Jahre ein Förderschulbesuch für junge Menschen mit entsprechenden Förderbedarfen anschließen. Doch für Janik war klar, dass sein Weg ein anderer sein kann. Trotz aller Vorbehalte, denen sich Janik stellen musste, und die eine betriebliche Ausbildung in Frage stellten, verfolgte er zielstrebig seinen Traum, der durch den starken Rückhalt seiner Familie in greifbare Nähe rückte.

So wandte sich Janiks Mutter, Katrin Jördel, ein dreiviertel Jahr vor Schulentlassung ihres Sohnes an Dirk Lange-Mensing vom Integrationsfachdienst Bielefeld / Gütersloh. Selbst auf den Rollstuhl und die Hilfe anderer angewiesen, lautete ihr kämpferisches Credo „Geht nicht - gibt’s nicht! Wenn Inklusion, dann richtig!“

Schnell wurde klar, es kann gehen: mit Hilfe von STAR - kurz für: Schule trifft Arbeitswelt, dem landesweiten Projekt des NRW-Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales NRW (MAIS) und der Landschaftsverbände Westfalen-Lippe (LWL) und Rheinland (LVR). Eng eingebunden sind bei der Umsetzung von STAR die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit und das Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW.

STAR unterstützt Schülerinnen und Schüler von Förderschulen und Schulen im Gemeinsamen Lernen bei der Vorbereitung auf das Berufsleben. Das Projekt will den jungen Menschen gemeinsam mit Arbeitgebern den Einstieg in den allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen. Dabei ist STAR ein modularisiertes System in Form einzelner Standardelemente aus  Potenzialanalysen, Berufsfelderkundungen, Praktika, dem Training arbeitsrelevanter sozialer Kompetenzen oder der abschließenden Übergangsbegleitung der inklusive Baustein des NRW-weiten Schul- und Berufs-Übergangssystems „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Mit der Umsetzung vor Ort sind die regionalen Integrationsfachdienste (IFD) betraut – darunter auch der IFD Bielefeld-Gütersloh.

Zurück zu Janik: Unterstützung bekam er durch den IFD. Dieser stellte Kontakte zu weiteren Kooperationspartnern, wie Sabrina Wietbüscher von der Agentur für Arbeit und Martin Koch, dem stellvertretenden Schulleiter vom Kerschensteiner Berufskolleg her. Hierüber wurde ein Kontakt zum Gütersloher Autohaus Mense geknüpft, dem sich ein vom IFD begleitetes Langzeitpraktikum anschloss. Nach dem Auswertungsgespräch mit dem Ausbildungsleiter Paul Rempel war klar: Janik hat auf ganzer Linie überzeugt und kann sich für eine Ausbildung als Fahrzeugpfleger empfehlen.

Mittlerweile hat er das erste Ausbildungsjahr hinter sich gebracht und besucht das Kerschensteiner Berufskolleg in Bielefeld, das u.a. eine Fachklasse für den Ausbildungsberuf Fahrzeugpflege und auch Stütz- und Förderunterricht anbietet. „Janik hat Spaß an der Arbeit, ist eine Bereicherung für das Team und arbeitet super mit“, sagt Paul Rempel vom Autohaus Mense. Das Autohaus, das derzeit 39 Auszubildende und insgesamt 250 Mitarbeiter beschäftigt, hat bereits Erfahrungen mit Arbeitnehmern mit Handicap. Überdies habe Janik nach Beendigung seiner Lehrzeit gute Chancen vom Betrieb übernommen zu werden.

Es gibt immer einen Weg, seinen Träumen einen Schritt näher zu kommen und diese wahr werden zu lassen….

Text: Dirk Lange-Mensing, IFD Bielefeld/Gütersloh


 

Ein ganz besonderer STAR, der dicke Bretter bohrt - Mario Barreiros-Fliß macht eine Ausbildung als Tischler

Fröndenberg/Ruhr (lwl). Der junge Auszubildende hat mit Unterstützung des Integrationsfachdienstes (IFD) Bochum im Rahmen von "STAR - Schule trifft Arbeitswelt" unter dem Dach des Landesprogramm "Kein Abschluss ohne Anschluss (KAoA)" eine Ausbildung zum Tischler im Familienbetrieb Matthias Ernst in Fröndenberg/Ruhr im August 2015 begonnen.

Es ist insofern eine kleine Sensation, als dass der ehemalige Förderschüler hochgradig schwerhörig ist und somit der Weg in die Ausbildung zum Tischler nicht gerade der vorgezeichnete Weg für ihn war. Mario konnte jedoch sein handwerkliches Talent während der Schulpraktika unter Beweis stellen und somit seinen späteren Chef - auch ohne viele Worte - überzeugen.

Die Praktika und der Übergang von der Schule in die Ausbildung wurden eng durch die Fachberaterin für Menschen mit einer Hörbehinderung und Fachbereich Übergang Schule-Beruf des IFD Bochum, Nicole Kotzke, begleitet. Der Ausbildungsplatz wird in unterschiedlicher Form durch das LWL-Inklusionsamt Arbeit sowie von der Agentur für Arbeit unterstützt. Um diesen Weg mit Blick auf die Formulare etc. bestmöglich zu gestalten, haben mehrere Informations- und Beratungsgespräche zwischen der Geschäftsleitung der Tischlerei und dem IFD stattgefunden. Auch die enge und gute Kooperation mit der Reha-Beraterin von der zuständigen Agentur für Arbeit war wichtig, um notwendige Unterstützungsbedarfe zu installieren. Insgesamt eine sehr runde Sache, denn die Chemie passt.


 

Sven Otten macht seinen Weg - als Produktionshelfer im Prototypenbau

Ibbenbüren (lwl). Der Weg in die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) war eigentlich vorgezeichnet für Sven Otten aus Ibbenbüren. Doch seit Juli 2014 startet der 22-Jährige als Produktionshelfer bei der Firma Gerhardi im Prototypenbau durch.

Unterstützung auf seinem beruflichen Weg bekam der ehemalige Förderschüler durch das Projekt STAR (Schule trifft Arbeitswelt). Das gemeinsame Vorhaben der beiden Landschaftsverbände Westfalen-Lippe (LWL) und Rheinland (LVR) bereitet Schülerinnen und Schüler mit Behinderung rechtzeitig auf das Arbeitsleben vor. Dazu gehören unter anderem eine Potenzialanalyse, Berufsfelderkundungen sowie verschiedene Praktika auf dem ersten Arbeitsmarkt. Bereits drei Jahre vor Schulentlassung werden die Schüler von den Fachkräften des Integrationsfachdienstes (IFD) begleitet. Sie sorgen dafür, dass der rote Faden bei der Berufsorientierung nicht verloren geht.

"Wir wollen den Jugendlichen eine echte Alternative zur Arbeit in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung bieten", sagte LWL-Direktor Matthias Löb bei einer Betriebsbesichtigung am Mittwoch (12.8.). "In einer inklusiven Gesellschaft gehören Menschen mit Behinderung schließlich auch im Arbeitsleben in unsere Mitte."

Dank der Unterstützung durch STAR sowie seiner Beharrlichkeit und seines Ehrgeizes hat Sven Otten den Sprung ins Berufsleben trotz einer geistigen Behinderung gemeistert. Im Prototypenbau-Team der Firma Gerhardi ist er mittlerweile fest integriert. "Der junge Kollege arbeitet motiviert, ausdauernd und sorgfältig", berichtet sein Anleiter Ingo Zühlow. "Insgesamt ist er auf einem guten Weg in die Selbstständigkeit".

Der innovative Ansatz des Projektes - eine Kombination aus individueller Unterstützung und Netzwerkarbeit - hat sich nach Angaben von Löb in der Praxis bewährt: Seit der flächendeckenden Einführung im Schuljahr 2012/13 haben in Westfalen-Lippe fast 3.500 Schüler aus 220 Schulen an der modularen Berufsorientierung nach STAR teilgenommen. 420 von ihnen konnten im Anschluss in eine Ausbildung, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder weitere berufliche Weiterbildungen vermittelt werden. Im Kreis Steinfurt wurden seit 2012 186 Schüler aus 13 Schulen auf ihrem Weg in den ersten Arbeitsmarkt unterstützt.

Durchschnittlich kostet die Begleitung durch STAR pro Schüler knapp 2.500 Euro. In Westfalen-Lippe hat die Umsetzung des Programms bis 2014 rund 8,6 Millionen Euro gekostet - rund 4,4 Millionen Euro zahlte dabei der Landschaftsverband Westfalen-Lippe unter anderem aus Mitteln der Ausgleichsabgabe. Rund 4,2 Millionen Euro kamen aus Bundesmitteln der "Initiative Inklusion" und des Europäischen Sozialfonds (ESF).

Zümra Nur Adiyaman Ausbildung mit Schwerhörigkeit – ein voller Erfolg!

Vieles ist möglich. Ausbildung mit Schwerhörigkeit – ein voller Erfolg!

Wie viele andere Jugendliche hat die ehemalige Schülerin einer Regelschule in Recklinghausen sich über ein Praktikum für die jetzige Ausbildungsstelle qualifiziert. Wobei sie bei dem ersten Praktikum zunächst nicht über ihre Schwerhörigkeit sprechen wollte und es auch dem Arbeitgeber nicht mitgeteilt hat. Dann aber feststellte, dass sie an Grenzen stößt. Gerade im Bereich der Sinnesbehinderungen ist Vieles möglich – was sich auch im Fall von Zümra Nur Adiyaman zeigt.

Die junge Frau absolviert eine Ausbildung in einer Gastroenterologischen Praxis in Waltrop und das mit großem Erfolg. Zunächst drängt sich der Gedanke auf, „eine Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten mit einer Schwerhörigkeit, wie soll das gehen?“ Aber es funktioniert sehr gut, wie das Ärzteteam und Kolleg:innen bestätigen können.

Auf dem Weg zum Ausbildungsplatz wurde die ehemalige Schülerin und die Eltern durch Ulrike Maier-Ludwig vom Integrationsfachdienst (IFD) in Gelsenkirchen im Rahmen von KAoA-STAR beraten und unterstützt. Der IFD hilft bei Fragen der Schüler:innen und der Eltern sowie Arbeitgebenden rund um den Bewerbungsprozess und auf dem Weg zum Ausbildungsplatz und Behinderung. Die IFD-Fachkraft berät u. a. bei Fragen zur Beantragung von technischen Hilfsmitteln und war als Mittlerin zwischen Schülerin, Eltern, Agentur für Arbeit, Betrieb, Schule und weiteren Beteiligten tätig.

Bereits während der Schulzeit hat die junge Frau viel Engagement gezeigt und vier Praktika auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt absolviert, sogar freiwillige Praktika während der Schulferien. Nach und nach kristallisierte sich der Wunsch einer Ausbildung heraus. Dieser Wunsch wurde auch von der zuständigen Sonderpädagogin der Schule und der Mutter unterstützt. Dies bestärkte die junge Frau darin, einfach offen mit dem Handicap umzugehen.

Was konkret alles möglich ist, zeigt sich auch bei dieser Ausbildung. Ein entscheidender Punkt ist die Beratung aller Beteiligten zu Möglichkeiten der technischen Ausstattung. Es geht aber auch darum den jungen Menschen. mit einer Schwerhörigkeit darin zu bestärken, seine und ihre Kommunikationsbedürfnisse am Arbeitsplatz offen zu machen. Als schwerhörige Auszubildende ist sie die eigene Expertin, was ihre Schwerhörigkeit angeht. Im Rahmen der Ausbildung konnten viele gute Lösungen gefunden werden. So werden einige technische Hilfsmittel eingesetzt, welche die Kommunikation zwischen der Auszubildenden und dem Betrieb sowie im Berufsschulunterricht sicherstellen. Die junge Frau verwendet zwei Ansteckmikrofone für die Tätigkeit im Labor und für die Assistenz bei der Magenspiegelung. Beispielsweise versteht die Auszubildende die Anweisungen des Arztes bei der Magenspiegelung mithilfe eines Minimikrofons, welches sich der Arzt dabei anheftet. Für den Berufsschulunterricht wird ebenfalls hörbehindertenspezifische Technik genutzt. Ein Mikrofon wird von der Lehrkraft und mehrere Handmikrofone von den Mitschüler:innen eingesetzt, damit die Auszubildende nicht nur die Lehrkraft, sondern auch die Wortbeiträge der einzelnen Mitschüler:innen und bei Gruppendiskussionen gut versteht.

Auch für die Übernahme von Telefonaten im Betrieb wurde eine Lösung gefunden.

Wichtig war diesbezüglich auch die Vernetzung mit der zuständigen Agentur für Arbeit. Diese unterstützt ebenfalls Menschen mit Handicap dabei, Fuß auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt zu fassen. Die Technische Hilfen am Arbeitsplatz und in der Berufsschule wurden im Falle der ehemaligen Schülerin durch die Agentur für Arbeitsplatz finanziert. Des Weiteren erhält der Betrieb einen Ausbildungszuschuss.

Auch die Inklusionsberatung des Rheinisch-Westfälische-Berufskollegs für Hörgeschädigte in Essen ist in diesem Fall ein wichtiger Kooperationspartner. Die Inklusionsberatung übernimmt u. a. die Beratung der Auszubildenden und des Regelberufskollegs, damit Nachteilsausgleiche im Unterricht und bei Prüfungen berücksichtigt werden. Außerdem wurden die Lehrkräfte zum Umgang mit der Schwerhörigkeit im Rahmen einer Informationsveranstaltung informiert.

Es ist Vieles möglich – es müssen sich nur alle Beteiligten trauen.